Die Lüftlmalerei in Oberammergau: Eine Open-Air-Dauerausstellung seit mehr als 200 Jahren. Was es mit dieser Kunstform auf sich hat, die Oberammergau einen solch unverwechselbaren Charme verleiht und auch viel über seine reiche Geschichte erzählt, erfährst du hier:
Entdecke die wundervollen Lüftlmalereien in Oberammergau
Die Lüftlmalerei ist eine Form der Fassadenmalerei. Bei dieser Maltechnik wird die Farbe auf den noch feuchten Kalkputz aufgetragen. Trocknet der Putz, verbinden sich die Farbpigmente mit dem Kalk. So wird die Malerei selbst zu einer harten und wasserunlöslichen Schicht und somit haltbar und wetterbeständig.
Die Malerei selbst ist aus dreierlei Gründen für den Künstler besonders herausfordernd:
1. Der Putz trocknet schnell. Der Künstler steht also ab dem Zeitpunkt der Kalkauftragung unter Zeitdruck.
2. Während des Trocknungsprozesses hellen die Farben auf, wobei sich manche Farben mehr verändern als andere. Dieser Prozess muss beim Malen mit einberechnet werden. Das Anmischen der Farben erfordert dementsprechend viel Erfahrung.
3. Nachträgliche Korrekturen sind nicht möglich.
Die Lüftlmalerei ist eine Tradition, die in Oberammergau seit ca. 1750 existiert. Wie jede andere Kunstform ist aber auch diese nicht statisch, sondern sie entwickelte sich immer weiter. In der Barockzeit waren Darstellungen von Heiligen und biblischer Szenen die beliebtesten Motive. So fanden persönliche Schutzbedürfnisse und die Frömmigkeit der katholischen Bevölkerung ihren Ausdruck.
Scheinmalerei, also das Imitieren prächtiger Architekturelemente an Türen und Fenstern, ließ einfache Bürgerhäuser wie prachtvolle Herrschersitze erscheinen. Was für den modernen Oberammergauer möglicherweise das neueste Modell eines bekannten Münchner Autoherstellers ist, war für den barocken Oberammergauer die 3D-Gestaltung der Hausfassade. Eindrucksvollstes Beispiel für ein solches Statussymbol von damals ist das Pilatushaus.
Während im vergangenen Jahrhundert die Aufträge für christliche Bildmotive zurückgingen, erfuhr die Darstellung von Märchen höhere Beliebtheit. So kann einem beim Eisessen im Ortszentrum der gestiefelte Kater, oder bei einem Spaziergang an der Ettaler Straße das Rotkäppchen begegnen.
Ebenfalls aus dieser Zeit stammen die Motive, die sich mit der eigenen Oberammergauer Dorfgeschichte befassen: Die Passionsspiele, das dörfliche Leben sowie die Holzbildhauerei, finden sich auf manchen Fassaden, beispielsweise bei dem Haus „Lang sel. Erben“ in der Dorfstraße, wieder.
Die Herkunft des Begriffs "Lüftlmalerei" ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Ein möglicher Erklärungsansatz führt zu Franz Seraph Zwinck (1748–1792), einem der bekanntesten Lüftlmaler aus Oberammergau.
Zwinck lebte in einem Haus das damals den Namen „Zum Lüftl“ trug, was zu zwei möglichen Theorien über die Namensgebung dieser Kunstform führt:
War es das Haus, das seinen Namen erst durch Zwinck erhielt? Möglicherweise nannte die Bevölkerung das Gebäude „Lüftl“, weil dort der berühmteste Künstler dieser Maltechnik lebte. In diesem Fall hätte das Haus seinen Namen nachträglich durch die Person Zwincks bekommen, und der Begriff „Lüftlmalerei“ wäre unabhängig von ihm entstanden.
Oder trug das Haus schon vorher den Namen „Zum Lüftl“? Falls dies der Fall war, könnte Franz Seraph Zwinck seinen Spitznamen „Der Lüftl“ von seinem Elternhaus übernommen haben. Aufgrund seines herausragenden künstlerischen Schaffens könnte schließlich die gesamte Kunstform nach ihm benannt worden sein.
Bis heute ist nicht sicher, welcher dieser Ansätze zutrifft, aber fest steht: Franz Seraph Zwinck prägte die Lüftlmalerei entscheidend und machte sie weit über Oberammergau hinaus bekannt.
Mit dem, in Oberammergau heimischen Maler Franz Seraph Zwinck (1748 - 1792) fand sich eine Künstlerpersönlichkeit, die Darstellungskunst und Technik perfekt in sich vereinte.
Zwinck wurde zum prägenden Lüftlmaler Oberammergaus und Umgebung. Beispiele seines Schaffens im Passionsort Oberammergau sind drei Außenfassaden des heutigen staatlichen Forstamtes in der Ettaler Straße (die Malereien an der Westfassade sind neueren Datums und stammen von Franz Hartmann), das Kölblhaus (gegenüber dem Forstamt), das Mußldomahaus am Lüftlmalereck, das Dedlerhaus und das Pilatushaus.
Die Fassadenmalerei ist in Oberbayern und Tirol verbreitet. Unbestrittene Zentren sind dabei jedoch Mittenwald und Oberammergau. Das liegt unter anderem daran, dass diese beiden Gemeinden an der ehemaligen Rottstraße liegen, einer Handelsstraße, die in vergangenen Zeiten die beiden Handelszentren Venedig und Augsburg miteinander verband.
Solche Straßen brachten zum einen Wohlstand: Mittenwalder und Oberammergauer Fuhrleute besaßen von Zirl in Tirol bis Schongau das alleinige Transportrecht.
Die Rottstraße brachte aber auch kulturellen Austausch mit sich: So kamen die Impulse für diese Maltechnik aus dem Italien der Renaissance.
Auch in den anderen Orten des Naturparks Ammergauer Alpen können Lüftlmalerein entdeckt werden. So sind beispielsweise die Bemalungen des Schulmeisterhauses in Unterammergau und des Jager-Anwesens in Bad Kohlgrub Werke Franz Seraph Zwincks.
Wenn du dich auf einen Spaziergang durch das „malerische“ Oberammergau begeben möchtest, empfehlen wir den Flyer „Ortsführung - Rundgang durch Oberammergau“. Dieser führt dich an die bekanntesten Sehenswürdigkeiten Oberammergaus, also auch zu den wichtigsten Lüftlmalermotiven. Der Flyer ist sowohl hier zum Download als auch in der Tourist-Information Oberammergau erhältlich.